Wang Huangsheng
Breathe IN/OUT
15. August bis 20. September 2020


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Wang Huangsheng ist einer der bedeutendsten Künstler in der chinesischen zeitgenössischen Kunstszene. Er wurde 1956 in Shantou, Provinz Guangdong, geboren, lebt und arbeitet in Peking. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit ist er auch als Kurator und Kunstkritiker tätig und unterrichtet an Akademien und Universitäten. Von 2000 bis 2009 war er Direktor des Guangdong Museum of Art, von 2009 bis 2017 leitete er das CAFA Art Museum. Er gründete und organisierte auch die Guangzhou-Triennale, die Guangzhou Photo-Biennale, die CAFAM-Biennale sowie die Beijing Photo Biennale.

In seinen Werken, von den frühen Tuschearbeiten bis hin zu den Installationen, bevorzugt Wang Huangsheng unterschiedliche Techniken und Bildsprachen, die einem gemeinsamem Code verpflichtet sind. Für ihn ist die Malerei der Linie, die Kalligraphie die Basis für die chinesische Kunst und ebenfalls auch für seine Malerei. Hierbei spielt das Verhältnis zu Raum, zur Räumlichkeit in Bildern eine tragende Rolle. Ab 2011, mit Beginn der „Moving Vision Series“ entwickelte Wang Huangsheng eine Bildwelt, die ein neues Sehen für sein Werk notwendig machte. In seinen bildnerischen Arbeiten bevorzugte er jetzt Linien, die keinem Abbild mehr verpflichtet sind, sie repräsentieren nur noch sich selbst. Diese Freiheit der Linie wurde auch in den nächsten Jahren weitergeführt, allerdings kamen zu den schwarz-weißen Formen farbliche Akzentuierungen hinzu, Verdichtungen der Tusche, die bisweilen zu einer Art Wolkenstruktur führten. Das Schweben, das freie Spiel mit der Linie sind zentrale Themen dieser Serie.

Von gänzlich anderem Charakter sind die 2012 entstandenen Werke der Serie „Lines Visions“ mit freiem Spiel der Linien, jedoch auf realitätsbezogenem Medium: der Zeitung. Die Texte dieser gedruckten Blätter aus China sind durch die Überlagerungen von verschiedenen Farbschichten (rot, blau, gelb, grün) kaum nachzuvollziehen, bestenfalls ist eine Headline entschlüsselbar.

Ab 2014 entstehen dreidimensionale Werke, sind von einer optischen Lautstärke geprägt sind, zu der bisweilen Lärmelemente hinzukommen. Allein die Beschäftigung mit Stacheldraht, hier: Nato-Draht, lässt zunächst erstaunen. Zur Symbolik dieses Materials bedarf es keiner großen Erklärung, da die Menschheitsgeschichte unendliche Beispiele von Gewalt mit Stacheldraht aufweist. Wang Huangshengs Interesse Nato-Draht in seinen Werken einzusetzen, ist mit Bezug auf sein Werk ikonographisch nachvollziehbar. Die Malerei der Linien hat Wang Huangsheng zur Vollkommenheit gebracht, eine Übersetzung der Linie in die Dreidimensionalität mag mit feinem Draht oder mit der Teufelsschnur (devil´s rope), so wie die indigenen Völker Nordamerikas den Stacheldraht nannten, realisiert werden. Das Erzählen von Geschichte, von Gewalt und Leiden, wird sicherlich eindringlicher, wenn diese Teufelsschnur Eingang in die ästhetische Welt erhält.

In dem für Wang Huangsheng monumentalen Werk „Bounds“ (6 x 3,4, x 2 m) werden mehrteilige, in ihrem Inneren mit Nato-Draht ausstaffierte offene Metallwände bei diffusem Licht im Raum mit einer die Ohren ankratzenden Geräuschkulisse hin- und her bewegt. Das synästhetische Spiel ist perfekt: die Installation ist eine optische Sensation mit bewegten Wänden in bedrohlichem Licht, mit flackernden Schattenstrukturen an der gegenüberliegenden Ausstellungswand, kreischende Geräusche im Raum, der in ein fahles Licht eingetaucht wird.

Ein weiterer Raum mit Maschinengetöse erwartet uns in der Arbeit „Haunts2“. Mehrere dunkelgrau-metallene Wagen pressen Luft aus ihrem Inneren nach oben, wo weiße Bänder, die an eine Stacheldraht-Skulptur befestigt sind, sich hin und her bewegen. Es ist ein Dröhnen wie in einer Maschinenfabrikhalle, in der für die Industrie benötigte Komponenten hergestellt werden.

Die Universalität der Sprache Wang Huangshengs versteht sich als gemeinsamer Nenner seiner Werke. Die Tuschearbeiten der letzten Jahre bevorzugen eine härtere Bildsprache, Mauer formende Schichtungen von Balken werden ebenso in Szene gesetzt wie frei sich im Bildraum bewegende Striche oder Quadrate.

2019 realisierte Wang Huangsheng den Film: „Breathe In/Out“. Eine Szene in einem Atelierloft, Sauerstoffflaschen im Mittelpunkt, großformatige Bilder im Hintergrund, Atemgeräusche aus dem Off, der Künstler betritt in einem künstlichen Nebel den Raum mit Schlagzeugstöcken in den Händen. Er bewegt sich um die Sauerstoffflaschen, schlägt kunstvoll gegen sie, eine einpeitschende Musik beginnt ab der Hälfte des Films, die den Künstler zum Tänzer werden lässt. Dieser Ausdruckstanz hat etwas beschwörendes, der Künstler ist für eine kurze Zeit in einer Art Trance. Die Gefahr eines Abgleitens wird gebannt durch die Zurücknahme der Musik und das wiedereinsetzende Atmen, die Rhythmik wird zurückgenommen, am Ende wird die eingangs sichtbare Sauerstoffflasche wieder in den Mittelpunkt gerückt, ein letzter gongartiger Schlag – Ende.

Gezeigt werden ausgewählte Videoarbeiten, mehrteilige Installationen, Fotos und Zeichnungen des Künstlers aus den Jahren 2012 bis 2019.

Die Ausstellung wurde in Kooperation mit der Gesellschaft für Deutsch-Chinesischen kulturellen Austausch e.V., Berlin, und mit Kunstraum Villa Friede, Bonn, realisiert.


Eröffnet wird die Ausstellung am Samstag, 15. August 2020, um 16.00 Uhr. Eingeladen sind alle Interessierten. Eine Voranmeldung ist nicht erforderlich.
Wir bitten alle Besucherinnen und Besucher um Beachtung der Corona-bedingten Abstands- und Hygieneregeln sowie das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung im Museumsgebäude.



Wang Huangsheng
Breathe IN/OUT

Wang Huangsheng is one of the most important artists in the Chinese contemporary art scene. He was born in Shantou, Guangdong Province in 1956. He lives and works in Beijing. In addition to his artistic work, he also works as a curator and art critic and teaches at academies and universities. From 2000 to 2009 he was director of the Guangdong Museum of Art, from 2009 to 2017 he headed the CAFA Art Museum. He also founded and organized the Guangzhou Triennial, the Guangzhou Photo Biennale, the CAFAM Biennale and the Beijing Photo Biennale.

In his works, from the early ink works to the installations, Wang Huangsheng prefers different techniques and visual languages that are committed to a common code. For him, painting the line, calligraphy, is the basis for Chinese art and also for his painting. The relationship to space, to spatiality in images, plays a key role here. From 2011, with the beginning of the "Moving Vision Series", Wang Huangsheng developed a visual world that made a new vision necessary for his work. In his visual works, he now preferred lines that are no longer required to reproduce, they only represent themselves. This freedom of the line was continued in the next few years, but color accents were added to the black and white forms, a thickening of the ink, that sometimes led to a kind of cloud structure. Floating, free play with the line are the central themes of this series.

The works of the “Lines Visions” series, which were created in 2012, are of a completely different character, with free play of the lines, but on a realistic medium: the newspaper. The texts of these printed sheets from China are hardly comprehensible due to the overlapping of different layers of color (red, blue, yellow, green), at best a headline can be deciphered.

From 2014 on three-dimensional works are created that are characterized by an optical volume, to which sometimes noise elements are added. The occupation with barbed wire, here: Nato wire, is astonishing at first. No great explanation is required for the symbolism of this material, since human history has infinite examples of violence with barbed wire. Wang Huangsheng's interest in using nato wire in his works is iconographically understandable in relation to his work. Wang Huangsheng brought the painting of the lines to perfection, a translation of the line into three-dimensionality may be realized with fine wire or with the devil's rope, as the indigenous peoples of North America called the barbed wire. The telling of history, of violence and suffering, will surely become more haunting when this line of the devil enters the aesthetic world.

In Wang Huangsheng's monumental work “Bounds” (6 x 3.4 x 2 m), multi-part open metal walls with nato wire inside are moved back and forth in diffuse light in the room with a background of noise that scratches your ears . The synaesthetic game is perfect: the installation is an optical sensation with moving walls in threatening light, with flickering shadow structures on the opposite exhibition wall, screeching noises in the room, which is immersed in a pale light.

Another room with the roar of machines awaits us in the work “Haunts2”. Several dark gray metal wagons force air upwards from their interior, where white ribbons attached to a barbed wire sculpture move back and forth. It is a roar like in a machine shop where components required for industry are manufactured.

The universality of Wang Huangsheng's language is a common denominator in his works. The ink works of the last few years prefer a harder visual language, layers of beams that form walls are staged as well as lines or squares moving freely in the picture space.

In 2019, Wang Huangsheng realized the film: "Breathe In / Out". A scene in a studio loft, oxygen bottles in the center, large-format pictures in the background, breathing noises from off-screen, the artist enters the room in an artificial fog with drumsticks in his hands. He moves around the oxygen cylinders, artfully strikes them, and lashing music begins at the middle of the film, which turns the artist into a dancer. There is something evocative about this expressive dance, the artist is in a kind of trance for a short time. The danger of slipping is averted by the withdrawal of the music and the resumption of breathing, the rhythm is reduced, in the end the oxygen bottle visible at the beginning is brought back into focus, a last a gong-like stroke - end.

Selected video works, multi-part installations, photos and drawings by the artist from 2012 to 2019 are shown.

The exhibition was realized in cooperation with the Society for German-Chinese Cultural Exchange e.V., Berlin, and with Kunstraum Villa Friede, Bonn.

The exhibition will open on Saturday, August 15, 2020, at 4 p.m. All interested parties are invited. Pre-registration is not required.
We ask all visitors to observe the corona-related distance and hygiene rules and to wear a mouth-and-nose cover in the museum building.