Karl-Friedrich Fritzsche
Dem Goldrausch nicht verfallen
Bilder gezeichnet
23. April bis 19. Juni 2022



Bilder/gezeichnet aus den Zyklen:
DER GARTEN DER LÜSTE |
AUS DEM TRAUMTAGEBUCH | HAUTNAH |
INNOCENT FACES


Der Bildhauer, Maler und Zeichner Karl Friedrich Fritzsche ist kein Fremder im Osthaus Museum Hagen. Seit Jahrzehnten gehört er mit seiner Frau Barbara Wolff zu denjenigen Künstlern, die durch eigene Ausstellungen bzw. durch Projekte eng mit unserem Museum verbunden sind. Die Ausstellung ist eine Hommage an den mittlerweile 70-jährigen Künstler, dessen Kunst vielerlei Facetten aufweist – von der Bildhauerei mit dem bevorzugten Material Holz bis hin zu den luziden Zeichnungen, die den Schwerpunkt dieser Publikation bilden.

Karl Friedrich Fritzsche ist ein hervorragender Zeichner. Zudem ist er ein begnadeter Beobachter. Seine Porträts von Menschen sind ein beredtes Zeugnis für seine Fähigkeit, auch die geringsten Details wahrzunehmen. Um Bildnisse von Menschen seiner Umgebung anzufertigen, benötigt ein Künstler die Gabe, in aller Ruhe die ihm gegenüberstehende Person, ganz gleich ob sie einem nahe steht oder nicht, auf das zeichnerische Ergebnis hin zu untersuchen. Der Stift liefert dann die Wahrheit für den Schaffenden.

Die in den Abteilungen „Reminiszenzen“ und „Die vier Lebensalter“ vorzufindenden Porträts zeigen den Klassiker Fritzsche, den Künstler, der sein Handwerk nicht nur meisterlich beherrscht, sondern auch eine sehr eigene Handschrift im Laufe der Zeit entwickelt hat. Erstaunt sind wir Betrachter auch bezüglich der Selbstporträts, die uns einen Spiegel der augenblicklichen Befindlichkeit des Zeichners vorhalten. Fritzsche verstellt sich nicht in diesen Bildern, im Gegenteil: das Offenlegen psychischer Momente gibt uns die Möglichkeit, Einblicke in die Künstlerseele zu erhalten. Der offene Umgang mit sich selbst offenbart selbstverständlich auch eine souveräne Haltung: sich selbst und der Welt gegenüber.

Im Kapitel „Traumtagebuch“ verdichten sich Szenen von Ereignissen im Modus des Schlafens, die in spezifischen farblichen Kontexten wiedergegeben werden. Die Palette konzentriert sich auf farbliche Schwingungen im Bereich von Grün bis Blau mit einigen farblichen Ausbrüchen. Diese Szenen in Gänze zu deuten wird sicherlich nicht immer gelingen, da sie doch sehr spezifische Handlungsweisen zeigen. Der diese Werke begleitende lyrische Text, der sich kongenial zu diesen, in Sequenzen wiedergegebenen Traumereignissen einfügt, stammt von Fritzsches Tochter: Clara Cosima Wolff.

Der Bilderreigen in diesem „Buch der Zeichnungen“ wird allerdings abseits lyrischer Elemente eröffnet. Der von Hieronymus Bosch angeregte „Garten der Lüste“ offenbart Szenen, die zu den leidenschaftlichsten Bildern gehören, die wir von diesem Künstler kennen. In ihren szenisch wie auch farblich aufgepeitschten Welten werden Sequenzen ansichtig, die optische Sensationen hervorbringen: Auf der Straße ebenso wie in einem Bordell, vom Pornobeschauer bis hin zu Menschen, die sich der Völlerei hingeben. Irgendwo taucht eine große rote Paprika auf, die der Schlüssel für diese scharfe Optik zu sein scheint. Das in Abwesenheit von religiöser Anbindung Menschen um das goldene Kalb tanzen, sprich: Kapital anhäufen, Mitmenschen ausbeuten, sich jeglicher Versuchung mit großer Lust hingeben, um nach völliger innerliche Raserei entmastet anzukommen: wen wundert es? Der Maler hat seine Freude an der Entwicklung dieser Szenen, die allerdings nicht seine eigene Lebenswelt wiederspiegeln.



LYRISCH-MUSIKALISCHE LESUNG
ZU DEN TRAUMBILDERN
15. Mai 2022 um 11:00 Uhr
Nora Rebecca Wolff (Schauspielerin) liest Texte
von Clara Cosima Wolff.
Musik: Albrecht Mai, Cello

Lyrische Begegnung mit dem „Traumtagebuch“
Clara Cosima Wolff
Es dampft sich der Mantel zum Gebirgsarm und die Treppe dreht sich hinaus, walnussgleich wartet die Denkmasse auf, tritt nicht ab, und zu, in Erscheinung. Kalte Schultern bieten, den haarlosen Herren, die in aalglatten Mänteln ausharren. Ach, ihr seht euch nicht an, aber ähnlich, und fußlos seid ihr umzingelt, umsäumt, eingezäunt von Damen mit kleidlosem Bein. Und seht, ein Fuß löst sich vom tragenden ins wallende Element. Wollüstige Tiefenfalten, triefend nass noch, werden körperlos umsorgt, gewrungen, mit ihnen ringend, großhirnrindengleich, entnässend gepresst. Im hirn und jetzt die Furchen fürchten oder aber die Spalten sachte verwalten.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit den Texten zu den Traumbildern.