August Macke (1887–1914)
Helle Frauen vor Hutladen, 1913 Öl auf Leinwand In einer perspektivisch komplexen Verschränkung von Figur und Architektur zeigt das 1913 entstandene Gemälde Helle Frauen vor Hutladen zwei vornehm gekleidete Damen beim Betrachten eines Schaufensters. Dabei ist die im Titel behauptete Auslage eines Hutladens in ihrer beinahe ungegenständlichen Darstellung kaum als solche zu identifizieren. Erkennbar wird der Gegenstand vor allem im Kontext von Mackes Œuvre, in dem das Hutladenschaufenster ein mehrfach variiertes Thema ist. So gleichen die im dargestellten Schaufenster in mehreren Schichten übereinandergelegten kreisrunden Flächen in Rot, Orange und Blau den klar zu erkennenden Hüten der weiblichen Figuren. Die Figuren sind durch eine geschwungene Pinselführung gekennzeichnet, während sich die großstädtische Architektur des Hintergrundes aus geraden Linien und ineinandergeschobenen geometrischen Formen zusammensetzt. Dabei stehen diese Formen in Vielzahl und Kleinformatigkeit im Gegensatz zu den groß und in Untersicht überlang angelegten Figuren. Auch farblich wird die Differenz zwischen Vorder- und Hintergrund unterstrichen: Die Stadt ist nahezu ausschließlich in Tönen von Blau und Violett dargestellt, von denen sich das Grün und Rot der Kleidung trotz dünnen Farbauftrags leuchtend abgrenzt. Dass die Farben der Kleidung einen Komplementärkontrast bilden, schafft zudem eine gewisse Unruhe im Vordergrund. Es ist ein Spiel der Farben gegeneinander, das zum dynamischen Gesamteindruck der dargestellten Szene beiträgt. Alles scheint in Bewegung zu sein. Die rechte Figur beugt sich zur Begutachtung der Auslage leicht nach vorne, während die andere eine Drehbewegung nach rechts zu vollziehen scheint. Die Architektur ist zwar starr, erscheint im Gemälde aber stark rhythmisiert. Eine Straßenbahn suggeriert zudem einen lebendigen großstädtischen Alltag, jedoch ohne Schmutz, Lärm und Gestank. Mackes Großstadt wird zur Bühne eines mondänen Lebensstils. Die geometrisierende Konstruktion des Gemäldes Helle Frauen vor Hutladen lässt Mackes Auseinandersetzung mit Kubismus und Futurismus erkennen, wobei er in beiden Stilen nur bestimmte Teilaspekte wahrnahm, die er für seine eigene Gestaltung nutzbar machte. In dem sogenannten Brief über den Kubismus schrieb Macke 1913: »Ein Bild (ursprünglich eine dumme leere Fläche) wird im Laufe seiner Entstehung mit einem rhythmisch abgemessenen Netz von Farben, Linien und Punkten überzogen, das in seiner endgültigen Form eine Summe von lebendiger Bewegung hervorruft.« Am Futurismus interessierte Macke der Versuch, die Dynamik des modernen, technischen Zeitalters zu einem bildlichen Ausdruck zu bringen. Dieser Idee entspricht die in Bewegung befindliche, mit ihren optischen Reizen auf den Menschen einwirkende Großstadtszene der Hellen Frauen vor Hutladen, jedoch in einer Mondänität, wie sie weder Kubismus noch Futurismus zu eigen war. August Macke, Helle Frauen vor Hutladen, 1913, Osthaus Museum Hagen, Fotografie: Achim Kukulies, Düsseldorf |